EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hielt die Rede zum Festakt – der nicht ganz störungsfrei verlief: Kaum hatte Superintendent Dr. Jörg Weber die etwa 1000 geladenen Gäste aus dem In- und Ausland im evangelischen Gotteshaus begrüßt, als ein älterer Herr mit weißem Bart nach vorne zu eilen versuchte und lauthals einen vorbereiteten Text verlas. „Ich finde es ganz furchtbar, wie Marx hier geehrt wird“, protestierte der Mann, der sich als ehemaliger DDR-Bürger und „politisch Inhaftierter“ zu erkennen gab. Auch wenn ihm die Sicherheitskräfte nicht viel Zeit für seinen Protest ließen, reagierte Ministerpräsidentin Malu Dreyer in ihrer Ansprache darauf. „Festakt hin, Festakt her – es ist gut, dass man bei uns frei seine Meinung sagen darf.“
Dreyer, die zur Eröffnung viel Prominenz aus Politik, Kultur, Gesellschaft und Kirche eingeladen hatte, dankte all den Menschen, die die Landesausstellung realisiert hätten. Es sei ihnen gelungen, Karl Marx und sein Werk „gekonnt ins Bild zu setzen“ – trotz der wenigen erhaltenen Gegenstände, die sein Leben illustrierten. Mit den beiden Standorten im Landes- und im Stadtmuseum und den zwei Partnerausstellungen im Karl-Marx-Haus und im Museum am Dom sei es möglich geworden, verschiedene Schwerpunkte zu setzen. „Die Kooperation von vier Museen in Trier haben wir bisher noch nicht geschafft“, sagte die Ministerpräsidentin. Dabei sei sie dankbar für den kritischen Blick, der auf Marx geworfen werde. Er sei immer noch streitbar und polarisierend. „Aber das Leid, das Millionen von Menschen im Kommunismus erlitten haben, kann man ihm nicht anlasten.“
Auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker betonte in seiner Festrede, dass Marx für die Gräueltaten, die in seinem Namen verübt wurden, nicht verantwortlich zu machen sei. Dessen Motiv sei die Freiheit des Menschen und seine Befreiung aus der Knechtschaft gewesen. „Marx hat sich für Gleichbehandlung, nicht für Gleichmacherei eingesetzt“, betonte der Festredner und Trierer Ehrenbürger. „Lieber“ sei ihm mit Oswald von Nell-Breuning aber noch ein anderer großer Trierer – „denn seine Lehre lässt sich nicht verunstalten“.
In einem von SWR-Kulturredakteur Alexander Wasner moderierten Gespräch bestätigte Bischof Dr. Stephan Ackermann, keine Berührungsängste mit Marx zu haben. Aber man habe sich fragen müssen, wie man sich als Bistum am Marx-Jubiläum beteiligen könne. Herausgekommen sei keine „Heiligenverehrung“, sondern die Beschäftigung mit manchen seiner Anliegen, die die katholische Soziallehre aufgegriffen habe. Man blicke in der eigenen Ausstellung auf den „Lebenswert“ der Arbeit, die mehr als Broterwerb sei, sowie auf die Frage, was dies für die Arbeit im 21. Jahrhundert bedeuten könne. Bundesjustizministerin Dr. Katarina Barley aus Schweich kontrastierte den Umgang mit Marx heute mit jenem in den 1970er Jahren, als dieser in Trier wenig präsent gewesen und vehement abgelehnt worden sei. Heute werde er nicht bejubelt und nicht verdammt, sondern differenziert, lehrreich und anerkennend betrachtet – „und das war an der Zeit“. Sie wies auf die 1,5 Millionen Euro hin, die der Bund dafür zur Verfügung gestellt habe. Als Vorsitzender der Friedrich-Ebert-Stiftung berichtete Kurt Beck von Bemühungen in verschiedenen Ländern, Reformansätze zu kritischen KapitalismusFragen finden zu wollen. Allen Trierer Ausstellungen bescheinigte er, „großartig“ geworden zu sein, weil sie sich ohne feste Denkschemata Marx annäherten und versuchten, ihn aus seiner Zeit heraus zu verstehen. Auch für die wissenschaftliche Leiterin der Marx-Ausstellungsgesellschaft, Prof. Dr. Beatrix Bouvier, „ist Marx stärker in der Zeit verortet worden“ – besonders durch Kunstwerke und gegenständliche Zeitzeugnisse. Oberbürgermeister Wolfram Leibe wies auf die Verantwortung hin, die Trier angesichts seines großen Sohnes habe – nämlich zu fragen, „was Urteil, was Vorurteil ist“.
Zum 200. Geburtstag von Karl Marx ist am 5. Mai in Trier auch eine Statue des Philosophen enthüllt worden. An den am 5. Mai 1818 geborenen Marx erinnert nun eine 2,3 Tonnen schwere und samt Podest 5,50 Meter hohe Bronzestatue auf dem Simeonstiftplatz unweit der Porta Nigra. Laut Polizei wohnten rund 3000 Zuschauer dem Festakt zur Enthüllung der Monumentalstatue bei, die ein von dem chinesischen Künstler Wu Weishan gestaltetes Geschenk der Volksrepublik China ist. An einem Schweigemarsch der AfD unter dem Motto „Marx vom Sockel holen“ nahmen laut Polizei rund 70, an einer Gegendemonstration dagegen 150 Menschen und an einer weiteren Kundgebung von Statuen-Befürwortern etwa 300 Menschen teil. Politiker und Verbände wie die „Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft“ hatten die Statue kritisiert.